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Pflegegrade statt Pflegestufen: Das hat sich geändert

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Wer nicht mehr in der Lage ist, seinen Alltag selbstständig zu bestreiten, benötigt Pflege. Doch wer in welchem Umfang als pflegebedürftig zählt, hat im vergangenen Jahr eine umfassende Reform erfahren. Mit dem Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) wurde die Pflegebedürftigkeit neu definiert, ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt und die bisherigen Pflegestufen wurden durch Pflegegrade ersetzt. Wir erklären Ihnen, was das im Einzelnen bedeutet und welche Änderungen sich durch die Pflegegrade für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen ergeben haben.

Pflegebedürftigkeit wurde neu definiert

Die Voraussetzung für die Einstufung in einen Pflegegrad besteht in einer vorliegenden Pflegebedürftigkeit. Um Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch zu nehmen, müssen die Betroffenen für mindestens sechs Monate als pflegebedürftig eingestuft werden – und das unabhängig vom Alter.

Mit der Umwandlung der bisherigen Pflegestufen in Pflegegrade hat der Gesetzgeber den Begriff Pflegebedürftigkeit neu definiert, um die Leistungen besser an die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen anzupassen. Unter den alten Pflegebedürftigkeitsbegriff fielen vor allem Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung. Menschen mit Demenz und psychischen Erkrankungen wurden darin zu wenig berücksichtigt, sodass sie oftmals auch keine Pflegeleistungen erhielten. So floss der Betreuungsaufwand, der mit Demenz verbunden ist, nicht in die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit, weil vor der Reform körperliche Beeinträchtigungen im Vordergrund standen.

Seit dem zweiten Teil der Pflegereform gilt laut Pflegeversicherungsgesetz der als pflegebedürftig, der in seiner Selbstständigkeit oder seinen Fähigkeiten gesundheitlich bedingt derart beeinträchtigt ist, dass er auf Hilfe von anderen angewiesen ist. Dabei kann es sich um körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen handeln, beziehungsweise um gesundheitliche Belastungen oder Anforderungen, die der Betroffene nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen kann.

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Aus den Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade

Lange Zeit wurde das Maß an Pflegebedürftigkeit anhand von drei beziehungsweise vier Pflegestufen beurteilt, an denen sich der Leistungsumfang der Pflegekassen bemaß. Psychische Erkrankungen und Demenzkranke wurden bisher lediglich durch das Kriterium der eingeschränkten Alltagskompetenz erfasst. Das war bis 2016 die Pflegestufe 0, wodurch auch Menschen ohne anerkannte Pflegestufen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung hatten. Aber auch bei den Pflegestufen 1 bis 3 bestand die Möglichkeit, durch den Zusatz „mit eingeschränkter Alltagskompetenz“ höhere Leistungen der Pflegekasse in Anspruch zu nehmen.

Am 1. Januar 2017 wurden die Pflegestufen durch die Pflegegrad ersetzt. Eine zuvor anerkannte Pflegestufe wurde dabei automatisch in einen Pflegegrad umgewandelt. Durch das neue System machten Pflegebedürftige einen Stufensprung. Mit eingeschränkter Alltagskompetenz kletterten die Betroffenen sogar um zwei Stufen. Bei der Einstufung sollte es nach Angaben des Gesetzgebers für niemanden eine Schlechterstellung geben – das bedeutet, dass die Betroffenen ab 2017 mindestens identische Leistungen der Pflegekassen beziehen.

Obendrein haben durch die neue Regelung mehr Menschen als bisher Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse. So ist der Pflegegrad 1 auf Menschen ausgelegt, die bis 2016 nicht als pflegebedürftig galten und daher auch keine Leistungen von der Pflegekasse erhielten. Betroffene sollen durch den neu hinzugekommenen Leistungsanspruch nun dabei unterstützt werden, möglichst lange zuhause leben zu können.

Leistungen der Pflegekasse für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen

Mit der Pflegereform ist die Zielstellung verbunden, dass die Pflegebedürftigen besser auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Dabei hängt die Höhe der Leistung neben dem Pflegegrad davon ab, ob die Betroffenen zuhause oder in einer Einrichtung leben.

Zu den Pflegeleistungen der Pflegekasse gehören:

  • Pflegegeld, wenn die Pflegebedürftigen zuhause von Angehörigen gepflegt werden
  • Pflegesachleistungen, wenn die Pflegebedürftigen zuhause von einem ambulanten Pflegedienst betreut werden
  • Kombination aus Pflegegeld und Pflegesachleistungen, wenn sie sowohl von Angehörigen als auch einem ambulanten Pflegedienst betreut beziehungsweise in einer Tages- oder Nachtpflege betreut werden
  • Tages- und Nachtpflege werden durch einen teilstationären Leistungsbetrag abgegolten, das heißt, die Pflegebedürftigen halten sich nicht den ganzen Tag in einer Einrichtung auf
  • vollstationäre Leistungen, wenn die Pflegebedürftigen in einer Einrichtung leben
  • zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsdienstleistungen
  • Kurzzeitpflege

Für Pflegehilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind, steht Pflegebedürftigen mit der Neuregelung bereits ab Pflegestufe 1 eine Pauschale bis zu 40 Euro pro Monat zur Verfügung. Dazu gehören beispielsweise Bettschutzeinlagen und Desinfektionsmittel. Andere Hilfsmittel wie zum Beispiel Rollatoren zählen nicht dazu. Das sind Leistungen, die bei der Krankenkasse beantragt werden müssen.

Die fünf Pflegestufen und die jeweiligen Leistungen im Überblick

Mit der Pflegereform wurden gleichzeitig die Leistungen, die Pflegebedürftigen zusteht, ausgeweitet. Der Umfang der Pflegeleistungen ergibt sich aus dem jeweiligen Pflegegrad:

Pflegegrade Kennzeichnung Pflege-sachleistungen Pflegegeld teil-stationärer Leistungs-betrag stationärer Leistungsbetrag
Pflegegrad 1 geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit 125 Euro Zuschuss
Pflegegrad 2 erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit 689 Euro 316 Euro 689 Euro 770 Euro
Pflegegrad 3 schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit 1298 Euro 545 Euro 1298 Euro 1262 Euro
Pflegegrad 4 schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit 1612 Euro 728 Euro 1612 Euro 1775 Euro
Pflegegrad 5 schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung 1995 Euro 901 Euro 1995 Euro 2005 Euro

Neues Prüfverfahren zur Beurteilung der Pflegegrade

Mit der Pflegereform zum Jahresbeginn 2017 ging auch die Einführung eines neuen Prüfverfahrens einher, mit dem die Pflegebedürftigen in den jeweiligen Pflegegrad eingestuft werden. Menschen, die seit Januar 2017 einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit oder eine Höherstufung bei der zuständigen Pflegekasse stellen, durchlaufen das Neue Begutachtungsassessment (NBA). Dabei zählen nicht die Minuten, die für die Pflege aufgewendet werden müssen wie im alten System, sondern die Selbstständigkeit, zu der Betroffene noch fähig sind oder eben nicht. Die Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) oder der MEDICPROOF GmbH der Privatversicherten ermitteln im neuen Prüfverfahren, wie selbstständig die Betroffenen jeweils sind und wie viel Hilfe sie tatsächlich nötig haben.

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Für die Begutachtung sind folgende Lebensbereiche wesentlich:

  • Mobilität: Dabei geht es um die körperliche Beweglichkeit.
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Dieser Punkt betrifft das Sprechen und Verstehen.
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Dies bezieht sich beispielsweise auf nächtliche Unruhe oder Aggressionen, die andere belasten.
  • Selbstversorgung: Hier geht es darum, ob sich der Betroffene beispielsweise selbst waschen kann.
  • Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Dieser Punkt überprüft zum Beispiel, ob der Betroffene dazu imstande ist, seine Medikamente zu nehmen.
  • Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte: Hier wird beispielsweise danach gefragt, ob der Alltag selbst gestaltet werden kann.

Auf Basis eines Punktesystems wird bei dem Prüfverfahren NBA der Pflegegrad bestimmt, der die zuvor gültigen Pflegestufen abgelöst hat. Dabei gilt: Je höher die Punktzahl, desto höher der Pflegebedarf und damit der Pflegegrad.

Welchen Vorteil bringen die Pflegegrade?

Von der Pflegereform und der Einführung der fünf Pflegegrade profitieren vor allem Menschen mit psychischen Erkrankungen, die im alten System nur unzureichend berücksichtigt wurden und dementsprechend geringe oder gar keine Leistungen der Pflegekassen bekamen. Damit findet nun eine Gleichstellung von physischen und psychischen Erkrankungen statt, durch die eine Pflegebedürftigkeit entstehen kann.